Weit vom Stamm

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Weit vom Stamm (c) Martin GriesEr konnte sich noch so genau erinnern. Als seine damalige Lebensgefährtin ihm erzählte, dass sie einen Sohn bekam, war er außer sich vor Freude. Er ist gleich in der nächsten Nacht zum Busdepot gefahren und hat sich dort einen vermummten Street-Art-Künstler engagiert, dass der sein Kinderzimmer in ein großflächiges Chaos verwandelte.
Später suchte er lange nach Kinderbüchern, die sich einen feuchten Kehricht um Grammatik und Rechtschreibung kümmerten.
Er schaltete am Ortsschild einen Gang runter. Er musste schmunzeln, als er daran dachte, dass die Mutter die beiden verlassen hatte, nur weil er aus Altmetall ein Kakaphonium zusammenschweißte. Für seinen Sohn. Schade, dass sein Sohn sich nie weiter mit der Klangtiefe beschäftigt hatte.
Er setzte den Blinker. Er hätte ihm jede Revolution finanziert und konzipiert, die er wollte. Er fuhr an. Aber sein Sohn hat sich nie für Revolutionen interessiert.
Er konnte sich nie merken, welche Straße die richtige war. Hier sahen alle gleich aus. Sein Sohn hatte nichts als Fug im Kopf.
Er bog in die Reihenhaussiedlung. Dann spürte er wieder den Schmerz. Er würde ihn nie wieder los werden. Seit sein Sohn Betriebsprüfer bei der Stadtverwaltung geworden ist. Die Ehefrau zum Reihenhaus gebar ihm bisher eine Enkelin. Aber immerhin war sie wieder schwanger. Ein Enkel wäre seine letzte Chance.

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