B wie Blaufußtölpel
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Bücher & Photos & Prosa-Miniaturen von Martin Gries

Lieber Martin,

mir sind ein paar Vögel eingefallen die vorne mit "B" anfangen:

Bachstelze
Blaumeise
Blesshuhn
Buchfink
Buntspecht
Bussard

Mir ist kein Meeresvogel eingefallen. Es gibt ja keine Böwe.
Und auch kein Vogel mit Beleidigung im Namen.
Vielleicht Blödfink?
Liebe Grüße

deine Mari

Liebe Mari,

gerne hätte ich mal eine Böwe getroffen. Oder einen Blödfink. Ich glaube, wenn man jemanden mit Blödfink beleidigt, wird die oder der ganz besonders gucken. Wahrscheinlich wie ein Blödfink.

Wie stellst Du Dir ein Schwarm Böwen an Bord einer Bornholmfähre vor? Bestimmt schnappen die sich vom Picknick der Passagiere nur die Brötchen und die Toastbrote lassen sie verächtlich liegen. Zumindest an Backbord.

Ich hatte Dir ja schon geschrieben, dass ich mich bei „B“ nicht für den Borstenwurm entschieden habe. Besentang habe ich von der Liste gestrichen, weil wir ja bei „A“ schon eine Pflanze hatten. Schweren Herzens habe ich auch keine Blumenkohl Sackzungenschnecke genommen. Das hat was mit seltenen Buchstaben zu tun. Du kennst bestimmt einige ABC-Bücher. Und die müssen bei „X“ und „Y“ meist ein bisschen schummeln. Bei „Q“ und bei „C“ ist es auch nicht so leicht. Aber ich habe eine Schnecke mit „C“ gefunden. Und deshalb konnte ich bei „B“ keine Schnecke nehmen.

Du merkst: So ein ABC-Buch ist wie ein Puzzle.

Außerdem waren in meinem Puzzle viel zu wenig Seevögel. Deshalb habe ich mich gefreut, dass ich einen Seevogel mit „B“ gefunden habe. Der ist seitdem einer meiner Lieblingsvögel.

B wie Blaufußtölpel

Blaufußtölpel
Tapsen Tölpel wie torkelnde Trottel.
Torkeln Tapser wie trottelige Tölpel.
Immerhin und immerher
Durch die Farbe kreuz und quer.

Als ich das Gedicht schrieb, hatte ich ganz viele blaue Fußspuren vor Augen. Eigentlich ein schönes Fußbodenmuster. Wenn ihr mal Eure Küche umdekorieren wollt, kannst du das Deinen Eltern ja vorschlagen.  
Tatsächlich ist auch Tölpel eine Beleidigung. Und noch dazu eine sehr alte. Die Ursprünge des Wortes sind über 500 Jahre alt. Die Menschen in der Stadt haben sich damit über die Leute lustig gemacht, die die Spielregeln der Stadt nicht kannten: Wann grüßt man wen? Vor wem muss ich den Hut ziehen und was kostet ein Pfund Zwiebeln? Wieso laufe ich besser barfuß durch das Stadttor? So etwas wussten alle, die in der Stadt wohnten. Aber ab und zu kamen Menschen vom Land in die Stadt. Die kamen aus dem Dorf. Das hieß früher „Dörp“. Und die, die aus dem „Dörp“ kamen, waren „Dörpel“. Und das Wort „Dörpel“ wurde irgendwann ein „Tölpel“.
Eigentlich war es sehr dumm von den Menschen in der Stadt, sich für etwas Besseres zu halten. Die Städter haben gar nicht gesehen, dass ihre alltäglichen Spielregeln nur in der Stadt gültig sind. Sie konnten sich selbst und ihre Regeln nicht in Frage stellen. Wahrscheinlich hätten sie sich auf dem Land zum Beispiel bei der Zwiebelernte ziemlich ungeschickt angestellt. Wenn man sich selbst nicht in Frage stellt, kann man wirklich nicht weise sein.  

Wahrscheinlich hat man den Vogel nach dem Tölpel benannt, weil der Gang von Tölpeln etwas ungeschickt aussieht. Kein Wunder. Alle Tölpel sind Ruderfüßler. Das heißt, sie können damit supergut rudern. Hast Du schon mal versucht mit Rudern unter den Füßen zu gehen? Das sieht nicht sehr elegant aus.  
Es ist typisch für den Menschen, dass wir Vögel angucken, wenn sie an Land sind. Wenn man den Vogel im Wasser gesehen hat, würde man eher „Blaufußruderweltmeister*in“ sagen. Wenn man den Blaufußtölpel in der Luft sieht, käme man eher auf den Namen „Blaufußwindtänzer*in“.
Aber eines ist sicher: „Blaufuß“ käme immer im Namen vor. Denn Blaufußtölpel haben knallblaue Füße. Je blauer, desto schöner finden Blaufußtölpel das. Wenn ein Männchen ein Weibchen fürs Leben finden will, zeigt es schon im Anflug seine blauen Füße. Dann baut es nicht nur ein prächtiges Nest und macht dem Weibchen Geschenke. Es hebt auch im Gang immer wieder die blauen Füße und zeigt sie. Es ist wirklich ein sehr spezieller Gang. Auch wenn wir den Gang tapsig finden, finden die Blaufußtölpel-Weibchen diesen Gang einfach unwiderstehlich.  

Im Wasser und in der Luft sind Blaufußtölpel sehr geschickt. Wenn sie tauchen, legen sie die Flügel an und sehen aus wie ein Pfeil. Dann tauchen sie so tief, wie ein Dorfkirchturm hoch ist. Im Flug sind die Tölpel so geschickt, dass sie sogar Fliegende Fische fangen können.
Ich weiß nicht, ob Du schon an der Nordsee warst. Oder an der Ostsee. Da gibt es keine Fliegenden Fische - und leider auch keine Blaufußtölpel. Die leben an der mittelamerikanischen Pazifikküste und auf den Galapagosinseln, wo es das ganze Jahr über sehr warm ist. Dort leben sie in großen Kolonien und brüten dort. Das machen das Männchen und das Weibchen zusammen.
Es klingt ein bisschen brutal. Doch ein Blaufußtölpel-Pärchen füttert das kräftigste Küken mehr als die schwächeren. So stellen sie Vögel sicher, dass ein Küken auf jeden Fall überlebt. Auch wenn dafür die schwächeren häufig sterben. So kann ein Pärchen in 2 Jahren 3 Küken großziehen.  
Blaufußtölpel zeigen vor Menschen keine Furcht. Wahrscheinlich sind ihnen unsere Füße zu langweilig. Leider gibt es nicht mehr sehr viele Blaufußtölpel. Sie sind abhängig davon, dass das Meer gesund ist und das der Mensch keine Tiere auf die Inseln eingeschleppt, die ihre Nester ausrauben, wie zum Beispiel Hauskatzen oder Ratten.

Ich finde, wir sollten alle einen Blaufußtag einlegen - oder zumindest einen Blausockentag. Was hältst Du von diesem Feiertag?
Liebe Mari, hast Du schon eine Ahnung, was ich bei „C“ im „ABC der merkwürdigen Meerwesen“ vorstelle?

Stets neugierige Grüße
Dein Martin

Mari und ich freuen uns, über Eure blaue-Socken-Fotos
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